Donnerstag, 22. Februar 2018

Krabbeloffensive

Sobald Frau Mutter ist – nein halt ich korrigiere- sobald wir Eltern werden , ist es als betreten wir ein Pralleluniversum (wenn es Mann zulässt). Das Wort Universum übertreibt dabei kein bisschen, denn wenn ich auch davor keinen blassen Schimmer hatte wie viele Angebote es geben kann und wie weit diese mein alltägliches Leben bestimmen, so ist es beachtlich in was für Welten wir eintauchen.
Spätestens im achten Monat, wenn dein Kind die ersten Krabbelbewegungen macht oder sei es sich wild durch die Wohnung zu rollen, ist die Mutter in Elternzeit – oder wohlgemerkt der seltene Mann in Elternzeit mehr als dankbar für jede Beschäftigung außer Haus. Fünf Tage 24-Stunden Bespaßung ist selbst bei der tapfersten Mutter/Vater nicht drin und etwas soziale Kontakte für das Kind und nebenbei für die Mami oder den Papi kann nicht schaden.
Bei uns kam wieder einer dieser Tage, wo ich daran dachte mal wieder etwas Neues auszuprobieren. Die Initiative in einen angrenzenden Stadtteil von uns hatte einiges geboten und da ich noch in keiner Krabbelgruppe war, wäre dies doch mal eine willkommene Abwechslung zu Delfi (nein, wir lauschen keinen Delfingeräuschen) und Mamayoga. Als ich relativ pünktlich in die Etagenwohnung stolperte, standen da schon einige Kinderwägen. Doch ich sollte mich täuschen im Krabbelraum befand sich lediglich – ein Vater. Oh auch noch ein Vater – dies ist leider immer noch eine Seltenheit. Nur dieser stürmte mit seinem kleinen Sohn gen Tür, so dass ich wohl ein recht verzweifelten Gesichtsausdruck machte, wonach er mich gleich schien beruhigen zu müssen. Nein, nein – kein Angst, er würde gleich wieder kommen. Somit war das Eis schon gebrochen. Naja fast – vielleicht zu sehr. Ich fand ihn ganz sympathisch den Vater von dem etwas müden Max, der seinen ersten Tag im Kindergarten hinter sich hatte. (Nun gut – eine Stunde alleine mit Papa und der Bezugserzieherin- aber immerhin). Die dezente Wahrnehmung von der Polarität von Mann und Frau in einer Krabbelgruppe sollte uns etwas in unserer Unterhaltung irritieren. Aber zum Glück wurden wir alsbald aus  unserer Zweisamkeit – ich meine doch Viersamkeit gerissen ;-) Da kam sogleich eine Mutter mit Zwillingen mit süßen Schnürwollmützen bekleidet. Sie kamen wohl gerade aus dem Garten, wie die Mutter es nannte. Ich stellte mir gleich einen romantischen Garten mit Äpfelbäumen und Gemüsebeeten aus meiner Kindheit auf dem Lande vor – später wurde dieses Bild vom Hinterhofrasen mit Betonuntergrund etwas getrübt. Aber viel interessanter war, dass die Mutter sowie die Kinder – Erde und Rotzverschmiert im Gesicht (und das wohlgemerkt die ganze Krabbelstunde lang) mit reinen Wollklammotten auch tatsächlich dieser Vorstellung entsprachen. Und dann hieß eines der Zwillingsmädchen auch noch nach Ronjaräubertochters Mutter und die einjährigen Mädchen konnten schon die Baumhausstrickleiter ähhh ich mein doch die Hochbettleiter im Kinderzimmer hochklettern. Später erzählte mir eine andere interessante Darstellerin der Gruppe, dass die Mützchen auch jedes Mal während des ganzen Spektakels anblieben. Naja, entweder die Zwillingsmutter hatte uns belauscht oder das stimmt nicht ganz so, nach weiteren 15 Minuten waren die Mützchen unten. Witzigerweise hatte diese Mutter selbst eine Mütze auf von der sie sich nicht trennen konnte und wunderte sich, dass ihr Sohnemann auf die Zwillinge mit ihren Mützchen stand. Irgendwie bleibe ich immer an den sonderbarsten Müttern kleben. Dieses Mal war es eben diese Mutter mit Mütze, dessen Sohn auch einen schwarzen Vater hat. Sie erzählte mir, dass sie lediglich zu der Krabbelgruppe gehe und den Rest der Woche viel mit Andre in den Park gehe und ihn durch die Wiesen streifen lasse. Langsam bekam ich ein schlechtes Gewissen, vor lauter Erzählungen von Wiesen und Gärten, so dass ich kurz vergaß, dass wir in einer Großstadt und noch dazu im tiefsten Winter befinden. Irgendwie konnte ich mir Louis  - auch mit der wasserdichtesten Winterhose- trotzdem nicht durch die Wiese robbend vorstellen. Aber eine Anregung ist es wert. Ich erfuhr aber noch weiterhin Interessantes. Zum Beispiel, dass mensch als alleinerziehendes Elternteil für 3 Jahre vom Jobcenter unterstützt werde. Was ich an sich keine schlechte Sache finde. Ich selbst nur könnte mir nicht vorstellen mich drei Jahre lange ausschließlich um meine Kind zu kümmern. Es schien jedoch Frau Mütze habe sich bereits darauf eingestellt. Was mir zudem neu erschien, dass sie anscheinend ihren ganzes soziales Netzwerk verloren habe, seitdem sie ihr Kind bekommen hatte. Djembespieler und afrikanische Tänzer. Nun gut – auch eine krasse Erfahrung.

Im Gegensatz dazu gibt es natürlich dann auch die Mütter, die jeden Tag ein andere Programm wahrnehmen bzw. sich freihalten wahrnehmen zu können. Die berichten einen dann vom Babyschwimmen,  Beatbabies, Babyturnen und so manch anderem. Beim Gehen schwirrte mir schon ganz der Kopf. Als ich dann eigentlich nur nochmal kurz die Toilette aufsuchen wollte kam mir ein anderer Vater entgegen und erzählte mir, dass nun sein Kind schon mit der Heizung spreche - in Hoffnung diese würde doch endlich seine Geschichte verstehen. Er knüpfte an unsere vorherige Unterhaltung an, weil sein Kind mit ausdruckstarker Gestik mir mehrmals versuchte die gleiche Geschichte auf Babysprache zu erzählen. Nur das war so ein Typ „ich bin jetzt ausschließlich Papa“ da gab es jedenfalls in den Krabbelgruppe kein Mann-und-Frau Moment mehr, sondern nur Mama von Louis und Papa von Anton. Da ich anscheinend so busy mit den Eltern und meine Sozialstudie der Krabbelgruppe war begnügte sich meiner Kleiner damit, die gesamte Küchenutensilienkiste umzuschmeißen und die anderen tollen Spielsachen zu erkunden – die anderen Babys schienen in dieses Mal wenig zu interessieren. Ich glaube er war wie seine Mama auch etwas überfordert. Wir werden wohl bei unseren zwei Kursen in der Woche und den neu und alt befreundeten Familien bleiben. Aber spannend war es schon!

Gegen das Vergessen bzw. Vorsicht vor Dämonisierung und Idealisierung

Wir wissen wie gefährlich es ist Vergleiche zu ziehen und wir wissen wie hilfreich es sein kann aus dem Vergangenem zu lernen. Gerade in unserer heutigen Zeit des aufkeimenden Faschismus (wenn das nicht zu milde ausgedrückt ist) können uns nur  durch das Erkennen und Aushalten von Ambivalenzen retten. Das Schwarz- Weiß denken bedient zu sehr unsere niederen Trieben wie archaischer frühkindlicher Enttäuschungsärger, narzisstische Kränkungswut, sowie unser Größenselbst und verzerrt schließlich unsere Realitätswahrnehmung. Die Fähigkeit und das Training von achtsamer Gefühlsreflektion ist wichtiger denn je geworden – denn die sehr subtile und doch brachiale Manipulation von außen ist nicht zu unterschätzen. Wie oben angedeutet haben wir es nicht mit Gut und Böse zu tun, sondern mit den Zwischentönen, die es gilt genauestens herauszufiltern. Die etablierten Parteien sind nicht die Guten und Trump, die AFD, der Front National, die PiS in Polen die Bösen. Mit dieser Mentalität schneiden wir uns ins eigene Fleisch. Die Medien die zunehmend zur Dämonisierung und Idealisierung neigen, zeigen uns wie stark wir gedrängt werden Ambivalenzen abzuwehren und uns den einfachen Lösungen hinzugeben. In einem Artikel von Slavoj Zizek (der in der „Zeit“ abgedruckt ist – nicht um Werbung zu machen – sondern Stichwort Ambivalenzen aushalten;-) zählt er die politischen Maßnahmen der rechtspopulistischen PiS auf, die bereits umgesetzt und in konkreter Planung sind. Da ist von Kindergeld und kostenloser Versorgung mit Medikamente der Älteren, von Reduktion des Rentenalters die Rede. Fast schon sozialistische Ansätze, die sich, die Linke, wie er schreibt, kaum zutrauen würde. Zizek geht nicht davon aus, dass die sogenannten populistischen Parteien, wenn Sie an die Macht kommen unbedingt zum Scheitern verurteilt sind, sondern dass sie uns vielmehr eine Spiegel vorhalten könnten, wie betäubt und handlungsunfähig linksorientierte Personen und Parteienzusammenschlüsse sind. In Verbindung mit Stärkung der nationalen Identität und dem Ausgrenzung und Verachtung  Menschen anderen Herkunftsländer – sind wir bei dem Wort „Nationalsozialismus“ angekommen. Und somit wären wir eben doch bei der Vergangenheitsaufarbeitung gelandet – und zum anderen braucht es anscheinend nicht immer ein kollektives Unbewusstes, was in uns weiterlebt, sondern es reicht, dass wir Menschen eben nicht nur von einem reifen Über-Ich und Ich-Ideal gelenkt werden, dass sich an moralischen Ansprüchen orientiert. Meine eigene These ist diesbezüglich, dass der Mensch im Zeitalter der Selbstoptimierung stark seine natürlichen Triebe unterdrücken muss - in Konkurrenz zur Maschine und Software in einem globalisierten Welt, wo nicht nur der/die intelligentere und geschicktere Klassenkamerad*in einen den Arbeitsplatz „wegnimmt“, sondern auch der Spezialist aus Pakistan oder Südkorea.